persische Musik.

persische Musik.
pẹrsische Musik.
 
Zu den ältesten Zeugnissen der Musik auf persischem Boden gehören Tonfragmente mit Tanzszenen aus Tepe Sialk (4. Jahrtausend v. Chr.) und Rollsiegel mit tanzenden Tieren aus Susa (wohl 3. Jahrtausend v. Chr.). Darstellungen auf einem Flachrelief des 9.-7. Jahrhunderts v. Chr. zeigen Harfenspieler, eine Langhalslaute, Rahmentrommeln und einen Chor von Sängerinnen. Ergänzend bezeugen griechische Quellen Götter- und Heldengesänge, Militär- und Hofmusik unter den Achaimeniden. Heldenlied und Kultgesang leben in ihrer späten islamischen Ausprägung fort in Gesängen der Passionsspiele, in Rezitationen und Prozessionschören zur Trauer um die bei Kerbela (680 n. Chr.) gefallenen Märtyrer der schiitischen Richtung des Islam; sie bilden eine iranische Ergänzung zur gemeinislamischen Koranrezitation, zum Gesang des Muezzins, zu religiösen Liedern und Hymnen. Frühe Militärmusik ist durch Miniaturen aus islamischer Zeit, Standorte ehemaliger Militärkapellen (Balustrade am Basartor in Isfahan) und die noch existierende Bläsergruppe (Naghghare) in Meschhed belegt.
 
Erste schriftliche persische und wiederum bildliche Zeugnisse gelten der Hofmusik unter den Sassaniden (224-651) mit einer Ständeordnung der Musiker, Musik als Erziehungsfach in den Fürstenspiegeln und zahlreicher Termini für Instrumente und melodische Formen. Im 5./6. Jahrhundert beschäftigte man sich mit den sieben königlichen Tonarten, deren Namen jedoch erst in den musiktheoretischen Schriften des arabischen Philosophen Al-Kindi (9. Jahrhundert) überliefert sind. Barbad, der berühmteste Musiker und Musikgelehrte im 6. Jahrhundert, soll das Modalsystem auf 30 Melodietypen und 360 Melodien erweitert haben. Vor und nach der Eroberung Persiens durch die Araber (7. Jahrhundert) gingen von der persischen Hofmusik Anregungen auf die Musik der Araber aus, u. a. wohl die Einführung der »neutralen« Terz. Durch arabische Vermittlung gelangte die persische Laute nach Europa, und in Bagdad wirkten Perser neben Arabern als Virtuosen und Musikschriftsteller, unter ihnen Safijjoddin ol-Urmawi (arabisch Safi ad-Din al-Urmawi; * um 1225, ✝ 1294), dessen Tonberechnungen (17-stufige Oktave) und Skalengliederung für die persisch-arabische wie für die türkische Musik vorbildlich wurden. Unter Timur und seinen Nachfolgern führte in Samarkand und Herat die Schule Abdolghaders (arabisch Abd al-Kadir al-Maraghis; * um 1350, ✝ 1435) zum Höhepunkt der mittelalterlichen persischen Hofmusik mit einer Nachblüte unter den Safawiden in Isfahan: Noch Amir Khan (um 1720) sang die Stücke Abdolghaders' im Musiksaal des dortigen Ali-Kapu-Palastes. Nach provinzieller Verflachung begann in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts die Verwestlichung des Musiklebens, aber auch die Renaissancebewegung einer Gruppe Teheraner Musiker um Mirsa Abdollah (✝ 1918). Sie schufen das neupersische Dastgahsystem, das in modifizierter Form die Begriffsinhalte des älteren Maqam und der ebenfalls älteren Form der Nauba (Nuba), einer vier- bis fünfsätzigen vokalen und instrumentalen Großform, in sich vereinigt, sodass jeder der zehn heutigen Dastgah sowohl tonale und metrische als auch formale Strukturen enthält: Einleitenden Instrumentalsätzen folgt der mehrfach gegliederte vokale Hauptteil, den Abschluss bilden volkstümliche Lieder und tänzerische Instrumentalstücke. Während die Melodien der Letzteren weitgehend festliegen, werden die ersten Formteile im Rahmen der tonalen Untergliederung des jeweiligen Dastgah improvisiert. Einstimmigkeit mit heterophonen Mehrklängen, engstufige Tonschritte und reiche Koloraturen bestimmen das Klangbild. Hauptinstrumente sind heute der Lautentyp Tar, Trapezzither (Santur), Spießgeige (Kamangah), Langhalslaute (Sitar), Rohrflöte (Naj) und Bechertrommel (Tonbak, Sarb).
 
Die bis zum 19. Jahrhundert bedeutende Schicht der städtischen Spielleute (Motreb), deren Repertoire ein Zwischenglied zwischen Dastgah- und Volksmusik bildet, ist heute v. a. in Schiras vertreten, wo Gruppen meist jüdische Spielleute bei Familienfeiern auftreten. Sie spielen Tar und Sarb. Iran. Bachtiaren, Kurden und Belutschen unterscheiden sich in ihren Musikstilen deutlich von den türkischen Aserbaidschanern, Kaschkai und Turkmenen. An der Südküste bestehen Verbindungen zu arabischen (und afrikanischen) Musizierformen, im Nordwesten zu kaukasischer und ostanatolischer, im Südosten zu pakistanischer und indischer Musik. Allen Volksgruppen eigen sind Tänze zum Klang von Schalmei und Trommel (Sas o Dohol).
 
 
K. Khatschi: Der Dastgāh. Studien zur neuen p. M. (1962);
 E. Gerson-Kiwi: The Persian doctrine of Dastga-composition. A phenomenological study in the musical modes (Tel Aviv 1963);
 M. T. Massoudieh: Awāz-e Šur. Zur Melodiebildung in der pers. Kunstmusik (1968);
 E. Zonis: Classical Persian music (Cambridge, Mass., 1973);
 J. Kuckertz u. M. T. Massoudieh: Volksgesänge aus Iran, in: Baessler-Archiv, N. F. Jg. 23 (1975); H. G. Farmer: Islam, in: Musikgesch. in Bildern, Bd. 3, Tl. 2 (Leipzig 21976).

Universal-Lexikon. 2012.

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